Samstag, 15. September 2012

Fancy EKG - Patient mit Unwohlsein

Es stellte sich ein 80 jähriger Patient in der Notaufnahme vor, nachdem er schlecht geschlafen habe. Ihm sei seit dem Zubettgehen "schlecht" und "unwohl". Ansonsten keinerleit Beschwerden, er komme nicht so richtig in die Höhe.

Bei der Vorstellung in der Notaufnahme zeigen sich folgende Vitalparameter:
AF 24/min
HF 142/min
RR 95/70mmHg
Temp. 36.3 Grad
Sättigung unter Raumluft 96%

Der Patient ist wach, ansprechbar, orientiert. In der fokussierten Untersuchung Cor/Pulmo/Abd unauffällig (außer der Tachykardie), Extremitäten warm, keine Diaphorese.

Vorgeschichte:
Bypassoperation nach Infarkt Ende der 1990er Jahre, z.n. SM-Implantation bei Sick-Sinus-Syndrom 2006 (DDD). vorbekanntes kleinzelliges Bronchial-CA, frgl. KM-Unverträglichkeit

Dann wird Ihnen folgendes EKG vorgelegt:


Und hier Ihre Aufgaben:
Bitte beschreiben Sie das EKG
Wie interpretieren Sie es ihm Kontext
Leiten Sie therapeutische Schritte ein?
Nennen Sie ihre Vorgehensweise

9 Kommentare:

  1. Auf den ersten Blick liegt eine regelmäßige Breitkomplextachykardie vor, so dass man sofort an eine VT denkt. In Ablt. V5 sieht man jedoch p-Wellen in regelmäßigen Abstand vor dem QRS-Komplex, deshalb würde ich von einer supraventrikulären- /Sinustachykardie ausgehen.

    Betrachtet von nun die Ablt. II, III, aVF sowie V6 sieht man meiner Ansicht nach ausgeprägte ST-Hebungen mit korrespondierenden Senkungen in V1-V4.

    Somit würde ich die Diagnose eines post.lat. STEMI stellen, auch wenn der Pat. diesbezüglich relativ asymptomatisch ist.

    Falls möglich noch einmal schnell den Echo-Schallkopf raufhalten (Kinetik? Erguss?)

    Therapie: Ich gehe davon aus, dass das Bronchial-CA aktuell nicht der limitierende Faktor ist, deshalb Heparin, ASS, Clopidogrel, ggf. vorsichtig Volumen. KM-Allergie-Prophylaxe.
    unverzügliche Anmeldung und Transport in das Katheterlabor.

    Schafft er es?

    Grüße

    AntwortenLöschen
  2. Wieso wird eigentlich beim STEMI reflexartig immer Heparin gegeben, siehe auch Vorposting über mir. Auch die Notärzte bringen die Patienten immer mit einer Dosis von 5000 IE Heparin ins Haus bei ACS. In unserer Notaufnahme wird nach genanntem Bolus regelhaft auch noch ein Heparin-Perfusor angeschlossen. Dabei ist leitliniengerechte erste Wahl die Gabe von Enoxaparin (bei <65 J. iv + sc, sonst nur sc) oder Fondaparinux.
    Auch in den - dankenswerterweise von extern auf Ihrer Homepage zugänglichen - internen Leitlinien der Notaufnahme im Klinikum Nürnberg wird Heparin (UFH) aufgeführt, während Enoxaparin oder Fondaparinux keine Erwähnung finden. Worauf beruht diese sicher bewusste Entscheidung gg. die Leitlinien der Dt. Gesellschaft für Kardiologie?
    Wäre ein spannendes Thema für das Blog.

    Zum EKG: Schließe mich an, Posterolateralinfarkt. Katheter aber nur nach kritischer Überlegung beim 80jährigen mit SCLC. ACB fällt aus selbigem Grund m.E. raus. Leider fehlen Stadium und Therapie des Malignoms in der Vignette. Auch wichtig: Elyte (SIADH bei SCLC?).

    AntwortenLöschen
  3. Kurze Stellungsnahme zu Heparin und Notarzt:
    Es ist eigentlich ganz einfach: Als Notärzte führen wir keine Sammlung diverser Antikoagulantien mit uns herum. Ausserdem welcher Patient kennt seinen Kreatininwert (LMWH) und ausserdem ist auch das Ergebniss einer evtl. durchgeführten PCI nicht am Einsatzort bekannt.
    Fondaparinux hat nur beim NSTEMI eine IA Empfehlung wenn eine PCI gemacht wird muss da ebenfalls wieder UFH gegeben werden und bei einer primären PCI hat es keine Empfehlung.
    Auch das Enoxoparin hat nur eine " may be preferred" Empfehlung.
    Nachzulesen in den aktuellen Guidelines der ESC 2012:
    http://www.escardio.org/guidelines-surveys/esc-guidelines/Pages/acs-st-segment-elevation.aspx

    Des weiteren hat man als Notarzt mit UFH ein "billiges" Produkt, dass bei vielen Indikationen (LE, arterieller Gefäßverschluss, ACS, VHF) eingesetzt werden kann, da keine entsprechenden Kontraindikationen vorliegen, da entsprechende Studien aufgrund des Alters der Substanz ja nie gemacht wurden....

    AntwortenLöschen
  4. achja das EKG :))
    ich würde von einer supraventrikulären Tachykardie mit Blockbild ausgehen, sehe keine Hebung in V5/V6
    in II schon aber das in III und avF sieht für mich nicht so typisch aus.... mmmhh, würde das mal einem Kardiologen faxen derweil ich auf das Labor warte und ein Echo mache .
    Und als Notarzt wenn instabil Kardioversion, ansonsten Amiodaron und Einweisung in die Fachabteilung :))

    AntwortenLöschen
  5. Danke für die schnelle und gute Antwort. Das notärztliche Vorgehen leuchtet ein.

    Auch danke für den Hinweis auf die ESC-Leitlinien. Die ESC-Leitlinien zum STEMI sehen Fondaparinux tatsächlich nur als "may be preferred". Ich hatte da die Leitlinien zum NSTEMI im Hinterkopf, sorry für den Fehler. Beim NSTEMI sind sich ESC und dgk einig und sehen in Fondaparinux das "best benefit/risk profile".

    Somit bleibt die Frage, warum bei Patienten, die primär in der Notaufnahme als NSTEMI diagnostiziert werden, in den meisten Häusern UFH gegeben wird. Lt. Homepage auch in Nürnberg.
    Und als weitere Frage - was tun mit dem NSTEMI, der vom Notarzt bereits UFH erhalten hat? Umsteigen auf NMH oder Fondaparinux? Ist ja auch nicht empfohlen... Oder beim UFH bleiben? Was das kleinere Übel?

    Freue mich auf die Antwort!

    AntwortenLöschen
  6. " Fondaparinux is not recommended for primary PCI." beim STEMI, das "may be preferred" bezieht sich auf : Enoxaparin (with or without routine GP IIb/IIIa blocker) may be preferred over unfractionated heparin.

    Beim NSTEMI ist richtig das Fondoparinux aufgrund des niedrigeren Blutungsriskos die IA Empfehlung bekommen hat, das aber der Patient mit dringlicher PCI-Indikation bspw. aus refraktärer AP-Symptomatik, hämodynamischer Instabilität etc. auch kein Fondoparinux bekommen soll. Und zur PCI benötigt er ja auch wieder UFH.
    Deswegen finde ich persönlich UFH oder LMWH als Antikoagulanz am breitesten einsetzbar.
    Sollte man primär ein konservatives Vorgehen anstreben dann kann man ja Fondoparinux geben.
    Letztendlich wird man sich da mit seiner Kardiologie einigen müssen.
    Da die Wirkung von UFH ja schnell weg ist, kann man sicherlich mit Fondoparinux fortfahren, zumal die 2,5 mg Dosis ja sonst der normalen Prophylaxedosis entspricht, auch wenn die ESC NSTEMI-Empfehlungen ja aonsonsten kein Wechsel des Antikoagulanz vorsehen; auch wenn das da nur explizit für die Heparine "Crossover of heparins (UFH and LMWH) is not recommended.. " beschrieben wird.

    AntwortenLöschen
  7. AHA guidelines:
    For primary PCI, use of anticoagulant therapy typically is limited to the cardiac catheterization laboratory

    Siehe:
    http://circ.ahajournals.org/content/118/24/2596.full.pdf

    Bei AHA keine Empfehlung zur Gabe von Heparin/LMWH präklinisch oder im ED

    AntwortenLöschen
  8. Danke für die Erklärungen, lieber M. Gnad. Für mich die bisher interessanteste Diskussion hier, weil ich die Erkenntnisse direkt praktisch anwenden kann. Und das beschriebene Vorgehen für mich in sich schlüssig und pragmatisch wirkt. Auch wenn das ganze ja eigentlich ein Abschweifen vom Thema war... ;-)

    AntwortenLöschen
  9. auch hier warten wir ja eigentlich alle noch auf die lösung des ekg´s......
    vor lauter antikoagulation

    AntwortenLöschen